AlpFUTUR – Forschungsbedarf und Ziele
Ziele des Verbundprojektes AlpFUTUR
Die übergeordnete Zielsetzung des Verbundprojektes AlpFUTUR ist es, für einen mittleren Zeithorizont (10 bis 40 Jahre) Perspektiven für die zukünftige Nutzung des Schweizer Sömmerungsgebietes aufzuzeigen:
- Beurteilung des politischen Handlungsbedarfs mit einer Diskussion von Handlungsoptionen: Braucht es mehr / weniger / andere Steuerungsinstrumente? Welche?
- Analyse der Wirtschaftlichkeit der Sömmerung und Vorschläge zu deren Verbesserung. Kann sie durch Innovationen (Produkte, Produktionsabläufe), bessere Vermarktung oder neue Bewirtschaftungsweisen verbessert werden?
- Abschätzung des zukünftigen Bedarfs nach Sömmerung und Alpbetrieben. Wie viele und welche Tiere sollen gesömmert werden? Welchen Standpunkt nehmen die Alpbesitzenden (Private, Kooperationen) ein? Wird es genügend gut ausgebildetes und motiviertes Alppersonal geben?
- Bewertung und zukünftige Nutzung der Natur- und Kulturlandschaftswerte des Sömmerungsgebietes. Wie werden sich diese entwickeln, wie ist die Entwicklung aus gesellschaftlicher Sicht zu bewerten und wie kann sie in eine gesellschaftlich erwünschte Richtung gelenkt werden?
Diese Fragen werden mit (inter-)disziplinären Teilprojekten angegangen, die aufeinander abgestimmt sind. Sie werden zentral koordiniert und arbeiten auf ein Syntheseprojekt hin, in dem verschiedene Produkte (Buch, wissenschaftliche Publikationen, Film) erstellt werden. Die Teilprojekte sollen einerseits für sich alleine stehen können und anderseits im gesamten Verbund zusätzliche Einsichten ermöglichen.
Die Fragestellungen von AlpFUTUR nehmen Anliegen aus der Praxis auf, welche durch Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Land- und Alpwirtschaft, der Kantone, Bundesämter etc. erfragt wurden. Diese haben Forschungsfragen formuliert, die in die Teilprojektformulierungen eingeflossen sind. Regelmässige Koordinationstreffen und eine Begleitende ExpertInnengruppe werden sicherstellen, dass die Forschung in AlpFUTUR problem- und lösungsorientiert bleibt.
Bedeutung des Sömmerungsgebietes
Die Alp- oder Sömmerungsweiden sind ein herausragendes Element der Kulturlandschaft der Schweiz und prägen grosse Teile der Alpen, der Voralpen und des Jura. Traditionellerweise werden diese Flächen mit Kühen, Rindern, Schafen oder Ziegen genutzt, die saisonal aufgetrieben werden. Die Alpwirtschaft hat in der Schweiz eine lange Tradition, welche auch die aktuelle Nutzung noch stark prägt.
Das Sömmerungsgebiet umfasst im Alpenraum und im Jura ca. 500'000 ha oder 1/8 der Landesfläche der Schweiz (zum Vergleich: Die übrige landwirtschaftlich genutzte Fläche umfasst eine Million Hektar). Es zeichnet sich durch eine hohe Biodiversität (spezialisierte Pflanzen und Tiere) und eine charakteristische Landschaft aus, welche für Erholung und Tourismus von Bedeutung ist.
In der Agrar- und Umweltpolitik spielen die Alpweiden jedoch eine vergleichsweise kleine Rolle. So wurden im Jahr 2005 weniger als 4 % der Direktzahlungen in Form von Sömmerungsbeiträgen für die direkte Unterstützung der Bewirtschaftung von Alpweiden ausgegeben. Die Raumplanung schenkt diesen umfangreichen Flächen aufgrund der dünnen Besiedlung ebenfalls wenig Beachtung. Die im Vergleich zur übrigen Landwirtschaft geringe politische Bedeutung der Alpwirtschaft dürfte auch mit den Eigentumsverhältnissen zusammen hängen: Liegt die "normale" Landwirtschaft praktisch ausschliesslich in den Händen Privater, so dominieren in der Alpwirtschaft kollektive Eigentumsverhältnisse (über 80 % der Alpweiden).
Weshalb besteht Forschungsbedarf?
Neuere Erhebungen (NFP48) zeigen, dass die Landnutzung im Sömmerungsgebiet eine hohe Dynamik aufweist. Flächen verganden und werden - unterhalb der Waldgrenze - zu Wald. Es gibt Hinweise darauf, dass sich die Schweizer Landwirtschaft zunehmend aus der Bewirtschaftung von Teilen der Sömmerungsweiden zurückziehen könnte. Auslöser dafür ist ein sinkendes wirtschaftliches Interesse der (Berg-)Landwirtschaft an einer Alpung der Tiere. Der züchterisch-technische Fortschritt sowie der gesamte Agrarstrukturwandel mit seiner Verschiebung zwischen den Tierkategorien wirken in diese Richtung.
Diese Entwicklung wird verstärkt durch verschärfte Umweltvorschriften (Gewässer, Tierhaltung) und Qualitätsvorschriften in der Milchverarbeitung auch für die Alpwirtschaft (Anpassung an die EU-Gesetzgebung). Gleichzeitig stellt man auf den günstigeren und ertragreicheren Flächen eine Intensivierung der Nutzung fest, so dass insgesamt eine Polarisierung zwischen Extensivierung / Nutzungsaufgabe und Intensivierung zu befürchten ist.
Zwar gibt es in der Agrarpolitik eine Reihe von Massnahmen, die diesen Trends entgegenwirken sollen: Sömmerungsbeiträge und -zuschläge, Beiträge für Strukturverbesserungen und die allgemeine Unterstützung der Tierhaltung im Berggebiet.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob diese im Vergleich zur übrigen Agrarpolitik doch eher bescheidenen Massnahmen genügen, um die Kulturlandschaften im Sömmerungsgebiet zu erhalten. Weitere Fragen leiten sich ab aus dem Klimawandel (Biodiversität, Naturgefahren), aus den sich ändernden Ansprüchen der Gesellschaft (Alpbesitzende, ÄlplerInnen, Erholungssuchende), aus der kulturellen Bedeutung dieser traditionellen Wirtschaftsweise in einer weitgehend urbanisierten Gesellschaft usw.